20 Jahre an der RWTH: Verabschiedung von Prof. Stanjek

29.08.2022
 

Ruhestand zwischen Wüste und Apfelbaum

Prof. Stanjek Urheberrecht: © IML

Nach 20 Jahren an der RWTH sind Sie zum 1.8.2022 in den Ruhesstand eingetreten. Wenn Sie auf diese Zeit in Aachen zurückblicken, was waren Ihre persönlichen High- und Lowlights?

Das mit Abstand größte Highlight war sicher die Entscheidung kurz nach meinem Einstieg in Aachen, den Doktoranden zu finanzieren, der sich mit der Aufgabe befassen sollte, für die Rietveld-Analyse ein Strukturmodell zu entwickeln. Die DFG hatte dieses Projekt von Georg Roth und Reinhard Kleeberg (Freiberg) zuvor abgelehnt. Die Möglichkeit, jetzt auch tonhaltige Gesteine quantitativ mit Röntgenbeugungsanalyse analysieren zu können, gab der Tonmineralogie weltweit einen enormen Schub, wie man auch am zweijährlich stattfindenden Reynolds-Cup ablesen kann, bei dem die Top-Ten-Teilnehmer mit meist bei uns mitentwickelten Strukturmodellen, die es inzwischen für fast alle relevanten Tonminerale gibt, erstaunliche Qualität erreichen.

Die weiteren Highlights waren die BMBF-Programme Mineraloberflächen sowie die CCS-Projekte, in denen vielfältige Zusammenarbeit mit anderen Instituten erfolgte und in denen vor allem auch die analytische Infrastruktur des CIM aufgebaut werden konnte. Vor allem die sechs Jahre CO2-Projekte führten zu einer intensiveren Zusammenarbeit mit dem LEK, die bis heute (August 2022), jetzt im Bereich Wasserstoff-Speicherung, anhält. Eng verknüpft ist hier leider auch mein absolutes Lowlight zu nennen, nämlich die extrem kurzsichtige Absage der gesamten dritten Phase CO2-Sequestrierung, obwohl alle notwendigen Prozesse im Vorfeld positiv beschieden wurden. Aber zu was rein ideologiegetriebene Politik fähig ist, lesen wir ja momentan auch jeden Tag in der Presse.

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Nach Abschluss Ihres Mineralogie-Diploms an der TU München im Jahre 1982 folgte dort 1990 die Promotion und 2001 die Habilitation. Welche Gründe haben Sie damals dazu bewogen, einen wissenschaftlichen Karrierepfad zu beschreiten und würden Sie es heute wieder tun?

Schon im Gymnasium galt den Naturwissenschaften mein größtes Interesse, von daher war die Vorstellung, wissenschaftlich zu arbeiten, durchaus verlockend. Die Chancen auf eine universitäre Laufbahn waren aber schon damals ziemlich gering und der Umstand, dass ich nicht in die Industrie gegangen bin, war nur dem Umstand geschuldet, dass ich zur richtigen Zeit eine Dauerstelle in der Bodenkunde erhalten habe. Ob ich das heute wieder machen würde? Vielleicht.

Von Hause aus sind Sie Bodenkundler mit Schwerpunkt auf der Tonmineralogie. Woher kommt Ihre Begeisterung für das Fach? Bräuchte es mehr Bodenkunde an der RWTH?

Böden sind meines Erachtens das mit Abstand komplizierteste Ökosystem auf unserem Planeten, für dessen Verständnis man breite Kenntnisse aus den Bereichen Chemie, Physik, Biologie, Mineralogie, Geologie, Hydrologie, Geophysik und viele andere benötigt. Entsprechend war ich zu meiner damaligen Zeit am bodenkundlichen Institut eingebettet in ein Team aus Chemikern, Bodenphysikern, Mineralogen, Argraringenieuren, Landschaftspflegern und anderen Fachdisziplinen, mit denen man nur dann produktiv kommuniziert, wenn man zumindest deutlich Ahnung von deren Fach aufweist. Ein äußerst spannendes Arbeitsgebiet, das ich mir am Ende des Mineralogiestudiums so garnicht vorgestellt hatte.

Die Frage, ob es mehr Bodenkunde an der RWTH bräuchte, würde ich gerne an Frank Lehmkuhl sowie die Kollegen in Jülich weiterreichen.

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Im deutschsprachigen Raum gelten Sie als einer der Top-Tonmineralogen*innen und waren von 2006-2014 auch Vorsitzender der deutschen Ton- und Tonmineralogiegruppe für Deutschland, Österreich und die Schweiz. Mit Ihrem Ausscheiden ändert sich die Ausrichtung Ihrer Professur von Ton- und Grenzflächenmineralogie auf Petrologie und Fluidprozesse. Welche Überlegungen stecken hinter diesem Ausrichtungswechsel? Hat der Ton ein Image-Problem?

Mir fallen grad keine Rohstoffe ein, die hierzulande kein Image-Problem hätten, also steckt wohl eher etwas anderes hinter dieser Entscheidung. Nachvollziehbar ist für mich aber generell nicht, dass in einer Zeit, in der Tone z.B. signifikant zur Verminderung des Energieeinsatzes im Baustoffsektor beitragen werden, die Ton-Expertise nicht mehr gebraucht werden soll.

Seit über 10 Jahren sind Sie Vorsitzender des Prüfungsausschusses für den Bachelorstudiengang AGW. Damit sind Sie aktuell der am längsten ohne Unterbrechung tätige PA-Vorsitzende der Lehreinheit. Was nehmen Sie aus Ihrer Zeit als PA-Vorsitzender mit?

Eines vorweg: Ohne die massive Unterstützung durch Kathrin Heinzmann, die im Vorfeld die meiste Arbeit schon geleistet hatte, bevor die Vorgänge auf meinem Schreibtisch landeten, hätte ich keine zehn Jahre durchgehalten! Unabhängig davon, in den zehn Jahren erfolgte im Grunde die gleiche Entwicklung wie in anderen Bereichen auch: Stetig zunehmende Bürokratisierung und Formalisierung von Prozessen in der dann meist spärlich erfüllten Hoffnung, manche Vorgänge dadurch zu vereinfachen.

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Ihre Freizeit verbringen Sie gerne mit dem Geländewagen in Wüstengebieten. Woher kommt Ihre Begeisterung für diese Gegenden und was ist Ihre „Lieblingswüste“? Hatten Sie auch schon kritische Momente während Ihrer selbstorganisierten Wüstentouren?

Wüsten (ob heiße oder kalte wie in Island) sind Landschaften, die auf meine Frau und mich einen ganz eigenen Reiz ausüben. Da die Wüsten in jedem Land anders sind, haben wir auch keine explizite "Lieblingswüste". Was kritische Momente auf den Touren angeht, haben wir hinsichtlich unangenehmer Begegnungen oder Ereignissen mit "Einheimischen" nichts zu vermelden, denn die Sicherheitslage war in den bereisten Ländern (bis auf Mauretanien) immer ausreichend. Kritische Momente technischer Art gab es allerdings etliche, denn nicht jeder technische Defekt kündigt sich an. Aber das gehört zum Reiz solcher Reisen dazu: Du stehst inmitten einer Hamada, in der 360° nur der flache Horizont zu sehen ist, sonst nichts. Und man weiß, die nächste, mögliche Hilfe ist etliche Tagesreisen entfernt. Entsprechend hat man Ersatzteile dabei und passt seine Fahrweise an.

Welche Pläne haben Sie für den (Un-)Ruhestand? Wird es wieder Touren mit dem Geländewagen durch die Wüsten dieser Welt geben?

Allein der immens große Garten wird keine Langeweile aufkommen lassen. Ansonsten werde ich mich verstärkt wieder den Hobbies widmen, die in der Aachener Zeit deutlich zu kurz gekommen sind wie Modellbau und der Audiobereich, in dem es immer was zu konstruieren und zu optimieren gibt.

Hinsichtlich Touren in Wüsten sind wir überaus froh, dass wir seit 1995 erst mit dem Motorrad und dann mit dem Toyo alles an Touren unternommen haben, was möglich war. Heute Touren nach Mauretanien, nach Libyen oder Ägypten (Algerien ist leider schon 2003 weggefallen) gehen aus bekannten Gründen überhaupt nicht mehr. Konkretere Pläne für Touren haben wir - auch pandemiebedingt - deshalb keine, aber Marokko, Australien und Namibia würden wir gerne auch mal zu anderen/besseren Jahreszeiten bereisen. Bis das wieder möglich ist, wollen wir erstmal Europa näher kennen lernen. Wir werden sehen...