Willkommen, Prof. Buiter!

 

Von Norwegen nach Aachen

Neue Professorin Urheberrecht: © Susanne Buiter

Liebe Frau Buiter,

im März 2020 haben Sie – mitten im Corona-Lockdown – das Lehr- und Forschungsgebiet „Geologie – Endogene Dynamik“ von Prof. Urai übernommen. Wir freuen uns sehr darüber, Sie an der RWTH in unserem Fachbereich begrüßen zu dürfen.

Das ist gegenseitig und es hat mich auch sehr gefreut an der RWTH anzufangen!

Von Hause aus sind Sie Geophysikerin und haben im Anschluss im Jahr 2000 Ihren Doktor an der Universität Utrecht in den Niederlanden im Bereich Tectonophysics abgeschlossen. Ihre PostDoc-Phase verbrachten Sie in der Schweiz (2000-2003), in Kanada (2003-2004) und in Norwegen (2004-2006), um anschließend 16 Jahre beim geologischen Dienst von Norwegen zu arbeiten. Aus welchen Gründen haben Sie sich jetzt für Aachen entschieden?

Wichtig für mich war, dass die RWTH sowohl in der angewandten Forschung als auch in der Grundlagenforschung ein starkes Profil hat. Ich mag auch das breite Spektrum an Forschung und Lehre in der Geologie und Geographie, das in der Fachgruppe vertreten ist, und hoffentlich viele Möglichkeiten für eine Zusammenarbeit bieten wird. Und natürlich ist die Tatsache, dass die Niederlande in der Nähe sind, von persönlichem Interesse.

Wie gefällt Ihnen Aachen und die RWTH bislang? Haben Sie trotz Corona schon alle Kollegen persönlich kennenlernen können? Wo sehen Sie Anknüpfungspunkte für Ihre Forschung unter den RWTH-Kollegen?

In der Zwischenzeit hatte ich das Glück, viele Kollegen treffen zu können, obwohl unter den gegebenen Umständen ein Teil dieser Kontakte bisher natürlich hauptsächlich online ist. Es war auch etwas Besonderes, zu Beginn einer Pandemie mit einer neuen Stelle anzufangen. Wir waren es natürlich schon gewohnt, international online zu arbeiten, aber ich freue mich so bald wie möglich einen engeren Kontakt zu den Kollegen und Kolleginnen zu bekommen. Sicherlich auch, um Forschung zu diskutieren, denn ich sehe viele Anknüpfungspunkte zwischen meinen Experimenten in tektonischen Prozessen und der Forschung in beispielsweise Neotektonik, Geophysik, Geomorphologie, Becken und Reservoirs, Materialeigenschaften und so viel mehr.

Wie sieht Ihr Lehr- und Forschungskonzept für Aachen aus? Welche Schwerpunkte möchten Sie in Aachen setzen? Spielt dabei auch die Umbenennung Ihres Lehr- und Forschungsgebiets eine Rolle? Werden Sie in der Lehre Inhalte und Themengebiete umgestalten und was erwarten Sie von Ihren Studierenden?

In meiner Forschung und Lehre werde ich mich auf Prozesse und ihre zugrunde liegenden Ursachen konzentrieren, die zu Verformungen der Gesteinsschichten auf verschiedenen Skalen führen, um die resultierenden Strukturen zu verstehen. Dies auf der Skala von dem Aufschluss bis zur Kruste, was zum Bereich der Tektonik gehört, bis zur Lithosphäre und dem oberen Erdmantel, hier sprechen wir von Geodynamik. Dies war auch der Grund mein Lehr- und Forschungsgebiet in „Tektonik und Geodynamik“ umzubenennen. Ich werde sowohl numerische als auch analoge Methoden anwenden. Die numerischen Experimente verwenden meine eigene finite-Elemente Software SULEC, während die analogen Experimente das analoge Labor von Prof. Janos Urai erweitern werden.
In den kommenden Jahren hoffe ich, mit Experimenten zur Kontinentalausdehnung, Kontinent-Kontinent Kollision, Scherzonen, und Salztektonik anzufangen. Diesen quantitativen Ansatz werde ich auch in der Lehre einbringen, mit neuen Modulen in Geodynamic Modelling und Plate Tectonics, während ich auch Themen wie Strukturgeologie weiterführen werde. Und ich hoffe eigentlich nur, dass Studierenden sich für die Tektonik und Geodynamik begeistern werden und bereit sein werden, zusammen die Reise zu unternehmen zum Verständnis, wie sich tektonische und geodynamische Strukturen bilden können.

Sie waren vor der Übernahme der Professur an der RWTH beim Geological Survey von Norwegen angestellt. Was genau haben Sie dort gemacht und wie unterscheidet sich die Tätigkeit dort von der Tätigkeit an der RWTH?

Norwegen ist super für die Geologie, weil es alles hat! Alte Subduktion, Gebirge (und eine lange Debatte darüber, warum diese eigentlich existieren), riftende Kontinentalränder, Seismizität, Salztektonik, Erdrutsche, und vieles mehr. Ich war in den letzten Jahren verantwortlich für das Team, das die geologischen Karten von Norwegen erstellt und wir haben uns daher mit fast allem in der Geologie befasst. Der geologische Dienst publiziert auch wissenschaftliche Artikel, aber ein Unterschied ist natürlich, dass wir dort wenig Lehre hatten. Übrigens sind alle geologischen Data Norwegens offen zugänglich, inklusive der ArcGIS Daten. Fragen Sie mich einfach, wenn Sie wissen möchten, wo und wie.

In den letzten drei Jahren waren Sie Vorsitzende des Programme Committee der European Geosciences Union (EGU). Welche Aufgaben haben Sie in dieser Funktion wahrgenommen? Für wie wichtig halten Sie die europäische Vernetzung im Bereich der Geowissenschaften?

Die European Geosciences Union ist die größte geowissenschaftliche Organisation in Europa. Ich halte es für sehr wichtig, dass alle in den Geowissenschaften die Möglichkeit erhaöten, Erfahrungen auszutauschen zum Beispiel in Forschung, Lehre, Digitalisierung und offenem Datenaustausch. Sowohl um selber zu lernen, als auch um anderen zu helfen. Hier kann die EGU als größte geowissenschaftliche Organisation in Europa definitiv eine Rolle spielen. Die EGU ist auch auf politischer Ebene sehr wichtig, um Informationen zum Beispiel zu Klimawandel, Landschaftsentwicklung und -nutzung und Geogefahren, mit allen Interessierten sowie mit Politikern, die Veränderungen bewirken können, auszutauschen.
Ich bin über 10 Jahren in der EGU tätig gewesen als Präsidentin der Division für Tektonik und Strukturgeologie, als Mitglied des Outreach-Komitees und die letzten 3 Jahre als Vorsitzende des Programmkomitees. Das Programmkomitee ist verantwortlich für das Programm der Generalversammlung mit rund 18,000 Teilnehmerinnen und Teilnehmern. Mein Fokus lag in diesen Jahren auf Inklusivität, Zugänglichkeit und der Sicherstellung, dass die tausenden Personen sicher und bequem in das Gebäude passen. Glücklicherweise haben Inklusivität und Zugänglichkeit in letzter Zeit viel mehr Aufmerksamkeit bekommen. Es ist sehr wichtig, dass wir zusammen dafür sorgen, dass sich alle bei Veranstaltungen, wie den von der EGU organisierten, aber auch kleineren Workshops, und nicht zuletzt bei von Universitäten organisierten Aktivitäten willkommen fühlen. Die letzte Generalversammlung der EGU war im Mai und wir waren ein der ersten großen Tagungen, die in kurzer Zeit online gehen mussten. Eine riesige Herausforderung und ich war recht froh, dass „Sharing Geosciences Online“ ein Erfolg war.

In der Lehreinheit „Angewandte Geowissenschaften“ sind Sie - neben der allerdings am GFZ Potsdam beheimateten Leerprofessur von Prof. Scheck-Wenderoth - derzeit die einzige Professorin. Können Sie Frauen das Berufsbild Professorin empfehlen und was würden Sie jungen Frauen mit diesem Berufsziel raten?

Absolut empfehlenswert! Ich werde nicht sagen, dass Gender in einem Job keine Rolle spielt, weil es das einfach tut. Ich bin jedoch optimistisch und glaube, dass die RWTH in Zukunft eine ausgewogenere Mitarbeiterschaft haben wird. Meine Empfehlung wäre, wenn Sie forschen möchten, es einfach zu tun. Sprechen Sie mit Personen, die in ihrer Karriere einige Schritte voraus sind, um zu fragen, wie sie dorthin gekommen sind. Der Wettbewerb ist ungeachtet des Geschlechts hart und da jeder Weg anders ist, können Erfahrungen sehr wertvoll sein.
Die Geologie hat im Allgemeinen mehrere Schritte zu nehmen, wenn es um Diversity handelt. Dabei geht es nicht nur um Gender, sondern auch um ethnische Zugehörigkeit, sexuelle Orientierung, Religion und andere Eigenschaften. Es ist wichtig, dass wir uns impliziter Prozesse bewusst sind, die die Geologie bisher ziemlich homogen gemacht haben.

Vielen Dank für das Interview!