Willkommen, Prof. Fußeis!

23.09.2023
 

Tausche Arthur’s Seat gegen Laacher See…

Foto von Florian Fußeis im Gelände Urheberrecht: © Florian Fußeis

Lieber Herr Fußeis,

herzlichen Glückwunsch! Zum 1.10.2023 übernehmen Sie das Lehr- und Forschungsgebiet „Angewandte Strukturgeologie“ (ehemals „Tektonik & Geodynamik“) als Nachfolger von Prof. Buiter, die zum wissenschaftlichen Vorstand des GFZ Potsdam berufen wurde. Worum geht es in Ihrer neuen Professur genau und welche Herausforderungen erwarten Sie – abgesehen von der Verwechslungsgefahr als vierter professoraler Florian am Standort Aachen?

Die Strukturgeologieprofessur an der RWTH wurde in den letzten Jahrzehnten maßgeblich von Janos Urai geprägt, und ich hoffe, mich in Aachen ähnlich zu entfalten, wie Janos das seinerzeit tat. Das heißt, ich werde Strukturgeologie vom Nanometer- bis zum Gelände-Maßstab betreiben, ich werde innovative Grundlagenforschung machen und auch immer die Nähe zu Anwendungen suchen, gerade in Zeiten der Energiewende können wir hier einen spannenden und wichtigen Beitrag leisten. An Inspiration wird es mir in Aachen nicht fehlen - die vielen großartigen Kollegeninnen und Kollegen und Talente an der Uni, und auch die vielen industriellen und institutionellen PartnerInnen im Umfeld der RWTH garantieren einen sehr spannenden Nährboden für tolle Forschung und fast endlose Möglichkeiten. Das mit den vielen Florians ist tatsächlich ein lustiger Zufall und wohl einem Hype des Namens in den späten 1970ern und frühen 1980ern geschuldet. Das wird hoffentlich zu nicht allzu vielen Missverständnissen führen. Im Zweifelsfall bin ich der aus Österreich.

  Foto von Prof. Fußeis im Gelände Urheberrecht: © Florian Fußeis

Sie haben von 1995 bis 2001 Geologie an der Universität Wien studiert und sind im Anschluss als wissenschaftlicher Mitarbeiter an die FU Berlin gewechselt. Ihre Promotion schlossen Sie dort 2006 zum Thema „Strain localisation and shear zone formation at the brittle-viscous transition, Cap de Creus, Spain“ ab. Woher stammt Ihre Begeisterung für die Geowissenschaften und was hat Sie bewogen, eine wissenschaftliche Karriere anzustreben?

In die wissenschaftliche Karriere bin ich hineingestolpert, genauso wie damals in mein Geologiestudium in Wien. Spätestens nach der ersten Auslandsexkursion nach Süditalien war ich allerdings dem Umstand verfallen, dass die Geowissenschaften einem buchstäblich die Augen für die Welt öffnen. Ich kann mich auch noch gut erinnern, als ich, während meiner Diplomarbeit, zum ersten Mal bis dahin unentdecktes Wissen freilegte und meinen ersten eigenen kleinen Fußabdruck in der Wissenschaft hinterließ. Wenn ich meinen Masterandinnen und Masteranden dabei helfen kann, ein ähnliches Erlebnis zu haben, hab ich meinen Job schon fast getan.

Heute finde ich die Geowissenschaften vor allem deshalb super, weil sie innerhalb der sonst oft so präzisen Naturwissenschaften eine Sonderstellung haben. Um die größeren Zusammenhänge in den Geowissenschaften zu verstehen, sollten wir im Idealfall über ein Basiswissen in allen anderen naturwissenschaftlichen Disziplinen verfügen. Und darüber hinaus ist der allergrößte Teil der Geosphäre für uns unerreichbar, das tiefste Bohrloch gerade einmal 12 km tief, die meisten geologischen Prozesse sind viel zu komplex und oft viel zu langsam, um sie wirklich genau abbilden zu können. Die Maßstäbe sind riesig, und trotzdem spielen Prozesse auf dem Mikrometermaßstab oft eine entscheidende Rolle. Trotz all dieser Schwierigkeiten ist es für uns alle unheimlich wichtig, dass wir die gesellschaftlichen Grenzflächen zur Geosphäre navigieren können. Das ist die Aufgabe der Geowissenschaften. Dabei sind wir permanent mit einer eigentlich unzureichenden Datenlage konfrontiert, müssen komplexe Zusammenhänge verstehen, wir müssen mit Unsicherheiten in unseren Aussagen leben und doch zu belastbaren Prognosen kommen. Das erfordert ein breites Hintergrundwissen, viel Kreativität, Kombinationsfähigkeit, Intuition und Erfahrung, aber auch, die Grenzen der Belastbarkeit zu erkennen. Diese ganz speziellen Fertigkeiten haben Geowissenschaftlerinnen und Geowissenschaftler, und das finde ich total spannend.

  Prof. Fußeis vor einem Gesteinsaufschluss Urheberrecht: © Florian Fußeis

Nach der Promotion wechselten Sie 2007 als Research Fellow und Assistant Research Professor an die University of Western Australia bevor Sie 2011 eine Junior-Professur für endogene Dynamik an der Ruhr-Universität Bochum annahmen. 2013 führte Sie Ihr Weg dann als Senior Lecturer und Reader an die University of Edinburgh nach Schottland. Inwieweit unterscheiden sich die verschiedenen Hochschul- und Wissenschaftssysteme voneinander und was nehmen Sie aus diesen Systemen mit für Ihre neue Position und was lassen Sie dort?

In Australien und Großbritannien werden Universitäten heute sehr stark als 'service provider' betrieben, die mit der Ausbildung von Studierenden viel Geld verdienen. Das lasse ich gerne dort, ich freue mich, jetzt wieder in einem System zu arbeiten, wo auch universitäre Bildung auf Weltklasse-Niveau für alle gleichermaßen zugänglich ist. Was ich allerdings aus Schottland mitbringe, ist die Ambition, dass unsere AbsolventInnen von der RWTH zu den gefragtesten in dem Sektor gehören sollen, und dass wir sie in der Lehre mit all dem ausstatten, was sie brauchen, um in ihren Karrieren erfolgreich zu sein. In Edinburgh habe ich in den letzten Jahren auch ein Projekt geleitet, in dem der Studiengang 'Geologie' modernisiert und besser auf die zukünftigen Anforderungen an die Absolventinnen und Absolventen zugeschnitten wurde. Der daraus resultierende Studiengang 'Earth Sciences' startet gerade diesen September, und wir haben schon im ersten Jahr unsere Studentenzahlen um 50% steigern können, der Studiengang scheint also bei Studienanfängerinnen und -anfängern gut anzukommen. Die Erfahrungen, die ich in diesem Projekt gewonnen habe, bringe ich gerne nach Aachen mit.

Sowohl in Australien als auch in Schottland hatte ich das Glück, von hervorragenden Kollegeninnen und Kollegen lernen zu können, die aber bei allem internationalen Erfolg nicht vergessen haben, dass es jenseits von Publikationen und Drittmitteln auch noch ein Leben gibt. Vor allem Edinburgh hat eine sehr schöne akademische Kultur, in der sich viele schlaue Leute zu allen möglichen Themen austauschen und gegenseitig inspirieren. Darauf hoffe ich auch in Aachen. Aus der Zeit an diesen Universitäten bringe ich auch ein sehr weitreichendes professionelles Netzwerk in Europa, den USA und Australien mit, von dem ich täglich in meiner Forschung profitiere.

  Foto von Prof. Fußeis im Gelände mit Studierenden Urheberrecht: © Florian Fußeis

Ihre Schwerpunkte in der Lehre in Edinburgh umfassten die Strukturgeologie, Tektonik, Endlagerung nuklearer Abfälle sowie insbesondere die Geländeausbildung. Was wird die Studierenden in der Lehre erwarten und was erwarten Sie von Ihren Studierenden?

Ich werde mit meinem Team die Strukturgeologie in einer Reihe von Kursen in all ihren Facetten abdecken, und werde mittelfristig auch eine Vorlesung zu angewandter Strukturgeologie anbieten. Ich möchte mich aber gerne auch weiterhin in die Lehre zur Endlagerung nuklearer Abfälle einbringen, das finde ich ein brandaktuelles Thema, mit dem ich mich nun auch schon einige Jahre auseinandergesetzt habe. Ein Schwerpunkt meiner Lehre wird, wie Sie schon erwähnten, die Geländeausbildung sein, die ich schon in Edinburgh maßgeblich mitgestaltet habe. Meine Geländeausbildung an der RWTH wird sehr ‘hands-on’ sein, die klassischen aber auch moderne Methoden abdecken, und die StudentInnen mit allem ausstatten, was sie benötigen, um Strukturgeologie zu betreiben, auch im angewandten Bereich. Geländearbeit macht Spaß und der Gedanke daran soll niemanden abschrecken, im Gegenteil. Gleichzeitig soll sie aber auch für alle zugänglich sein, das ist mir wichtig. Zwei Themen, die mir sehr am Herzen liegen, sind analytisches Denken und Wissenschaftskommunikation, das sind beides extrem wichtige Fertigkeiten, gerade heutzutage, und in diese Richtung werde ich auf alle Fälle auch unterrichten. Von den Studierenden erhoffe ich mir, dass sie sich des Privilegs, an einer Top Universität zu studieren, bewusst sind, und sich das umfangreiche Wissen, das dort für sie bereit steht, auch aktiv abholen.

  Prof. Fußeis im Labor Urheberrecht: © Florian Fußeis

Während Ihrer Zeit in Australien haben Sie im Bereich der Geothermie geforscht. In Schottland bauten Sie eine international vernetzte Forschungsgruppe zum 4D X-ray Imaging auf. Welche Schwerpunkte werden Sie in Ihrer Forschung in Aachen setzen? Wie erklären Sie einem Laien die Bedeutung Ihres Forschungsbereichs für die Gesellschaft?

In Australien war die Geothermie für mich eigentlich noch mehr ein Mantel für mein Interesse an Porositäten. Tatsächlich habe ich in Australien begonnen, mich intensiv mit 3D und 4D (3D plus Zeit) X-ray Imaging, der Röntgentomographie, auseinanderzusetzen. Die Methode ist ideal, um Poren in Gesteinen zu studieren und, in Experimenten auch, wie diese Poren sich verändern, wenn das Gestein deformiert und reagiert. In der Erdkruste sind Poren im Normalfall mit Fluiden und Gasen gefüllt, und auf diese Fluide kommt es in der CO2-Speicherung, in der Geothermie, in der Bildung hydrothermaler Erzlagerstätten, aber auch in der Endlagerung nuklearer Abfälle an. Auch in vielen tektonischen Prozessen sind diese Fluide zentral. Um aber zu verstehen, wie ein Fluid sich in einem Gestein verhält, muss man zuerst auch verstehen, wie sich die Poren, welche die Fluide beherbergen, in verschiedenen Szenarien entwickeln. Die Poren kontrollieren, wo ein Fluid mit einem Gestein interagieren kann, und wo es sich bewegt. Und genau das untersuche ich sowohl in deformierten Gesteinen im Gelände, als auch in Experimenten. Unsere Experimente führen wir übrigens meistens an Synchrotron-Teilchenbeschleunigern in Frankreich, der Schweiz, Großbritannien und den USA durch, wo wir die extrem helle Röntgenstrahlung nützen um unsere Gesteinsproben auch durch relativ dickwandige experimentelle Aufbauten hindurch beobachten zu können. In Aachen werde ich das natürlich weiterführen, und meine Methoden hoffentlich in viele Kollaborationen einbringen können. Mittelfristig plane ich, an der RWTH auch eine recht einzigartige Forschungseinrichtung aufzubauen, in der Langzeitexperimente in einem Röntgentomographen durchgeführt werden können, und zwar 16-20 gleichzeitig!

 

Bereits in Schottland haben Sie Post-Doc’s und Doktoranden*innen betreut. Welche Leitlinien sind Ihnen bei der Ausbildung Ihres wissenschaftlichen Nachwuchses wichtig und wie planen Sie dies in Ihrer Professur umzusetzen?

Ich freue mich immer, wenn sich jemand entschließt, mit mir zu arbeiten. Im Idealfall entsteht da ein reger intellektueller Austausch. Mein Ziel ist es, das Umfeld bereitzustellen, in dem sich NachwuchswissenschaftlerInnen entfalten können und so richtig loslegen wollen. Dazu bin ich Mentor, Ideengeber, manchmal Lehrer, einer, der Dinge ermöglicht, und immer loyal. Die Art von Forschung, die wir machen, ist oft komplex und benötigt viel methodisches Spezialwissen, was sie zwangsläufig zu einem ‘team effort’ macht. Deshalb wird es in meiner Gruppe auch sehr viel Zusammenarbeit zwischen allen geben. Da freue ich mich drauf.

 

Und eine abschließende Frage: Worauf freuen Sie sich am meisten am Standort Aachen?

Nachdem ich als überzeugter Europäer in Großbritannien den Brexit aus erster Reihe miterleben musste, was mich einigermaßen viele Nerven gekostet hat, freue ich mich ehrlich darauf, wieder im Zentrum von Europa zu landen. Ich freue mich, das erweiterte Dreiländereck sowohl im Privaten wie auch durch meine Arbeit zu entdecken. In Aachen selbst finde ich den Kontrast zwischen seiner ewig langen Geschichte und der hypermodernen technischen Hochschule spannend. Und in moderaten Dosen dürfen’s auch ein paar Printen sein.