Forschungsexpedition der Extreme zu den Südlichen Sandwichinseln
In monatelanger Anstrengung haben wir auf diese Expedition hingearbeitet und das gesamte GuG-Team hatte mich tatkräftig bei den Vorbereitungen und der Anschaffung von Messdrohnen und Sensoren unterstützt - mir den Rücken freigehalten.
Und eines Morgens wachte ich dann vom vitalen Geplapper hunderttausender Pinguine auf und fand mich in einem Expeditionszelt auf der entlegensten Insel wieder, auf der ich jemals arbeiten durfte.
Es war unser dritter Tag auf der Insel Zavodovski im Südatlantik, die wir am 22. Januar nach 8 Tagen auf See an Bord der Expeditionsyacht 'Vinson of Antarctica' erreicht hatten. An diesem Morgen war etwas anders als an den beiden Vorherigen: es war außergewöhnlich ruhig - Windstille! Ein Blick nach draußen bestätigte unsere hoffnungsvolle Erwartung auf einen blauen Himmel und einen klaren Blick auf den Gipfel des Vulkans. Dies war der Beginn des wertvollsten und intensivsten Arbeitstages unserer 10-tägigen Mission, an dem wir perfekte Bedingungen für den Betrieb unserer Vermessungsdrohnen vorfanden. Der erste Jubel wurde direkt vom Gedanken an ein mögliches Scheitern gefolgt, denn wenn wir an diesem Tag nicht den Gipfel erreichten, einen Drohnenverlust erlitten oder die Datenakquise durch irgendein menschliches Versagen beeinträchtigt wer den würde, dann bliebe unsere "Mission" womöglich erfolglos.
Schon 2019, während meines ersten Besuchs dieser Region an Bord des Forschungseisbrechers Polarstern, war ich von der unberührten, rohen, unwirtlichen und doch fragilen Wildnis der Südlichen Sandwichinseln und des gesamten Südantillenmeeres tief beeindruckt. Wissenschaftlich aber gilt mein Interesse der inneren Struktur und der Stabilität von Vulkangebäuden, sowie dem Ausbruchsverhalten und den damit verbundenen Geogefahren der aktiven Vulkaninseln weltweit. Unter polaren und subpolaren klimatischen Bedingungen werden die Morphologie sowie die strukturelle Entwicklung und Stabilität eines Vulkangebäudes durch extreme Erosionsraten, Massenbewegungen, Gletscherauflast (und -entlastung) sowie Permafrost beeinflusst. Aktive, oberflächennahe magmatische Systeme und Magmengänge könnten auf Veränderungen des Klimas und der Umweltbedingungen reagieren. Die nahezu stän- dige Entgasung des Gipfelkraters des Mt. Asphyxia (551 m üNN und auch bekannt als Mt. Curry) auf Zavodovski deutet auf das Vorhandensein eines oberflächennahen magmatischen Speicher- und Transportsystems hin, was die Insel zu einem außergewöhnlichen Untersuchungsgebiet zur Studie aktiver vulkanischer Systeme und Prozesse, auch im Zusammenhang mit dem Klimawandel, macht. Allerdings gehört der Mt. Asphyxia zu einer Gruppe der abgelegensten, unzugänglichsten und am wenigsten untersuchten Vulkane der Erdeden Südlichen Sandwichinseln. Aufgrund ihrer Abgeschiedenheit ist keiner der neun aktiven Vulkane permanent mit Messinstrumenten am Boden ausgestattet und unser Wissen stützt sich ausschließlich auf optische, thermale und Radar-Satellitenbilder sowie Daten, die während der seltenen und physisch sowie logistisch extrem anspruchsvollen Besuche gesammelt werden.
Eine unserer Hauptmissionen bestand darin, photogrammetrische Daten mit Hilfe einer DJI Mavic 3 Enterprise-Drohne zu sammeln, um einen sehr hochauflösenden 3D-Datensatz der gesamten Insel Zavodovski zu generieren. Ein besonderer Fokus lag auf zwei Gebieten, die schon im Vorfeld auf Radar- Satellitendaten über einen bestimmten Zeitraum aktive Oberflächendeformationen zeigten. Laut unserer Planung sollten sieben Batterien für sieben separate Drohnenflüge (mit Abdeckung von je 2km2 bei einer Vermessungshöhe von 500m über dem Boden) ausreichen, um uns die so wertvollen Daten für die detaillierteste topographische Karte zu liefern, die es an diesem Ort bisher gibt. Zusätzliche niedrigere Flüge waren dann für noch höhere Datenauflösungen und thermale Infrarotaufnahmen der von Bodendeformationen betroffenen Gebiete geplant. Das klingt in der Theorie ganz einfach, ist aber in der Praxis nicht trivial...
Für die Energieversorgung hatten wir Generatoren und Diesel dabei und auch sonst brachten wir alles mit an Land, was 8 Personen für zwei Wochen zum Überleben jenseits jeglicher Zivilisation benötigen. Diese logistischen Hürden waren genommen. An den meisten Tagen, die wir auf Zavodovski verbrachten, hingen aber hartnäckig dichte Wol- ken um den Vulkankegel und der Wind betrug in der Regel mehr als 25Knoten (während die Drohne maximal ~23 Knoten bewältigen kann und in diesen Bedingungen sehr schnell Batterieleistung verliert). Die Wolke aus vulkanischen Gasen, die ununterbrochen windabwärts entlang der Vulkanflanke driftete, beeinträchtigte die Aufnahmeverhältnisse noch zusätzlich. Worauf legt man nun den Fokus, wenn man nur einen einzigen Tag mit optimalen Flugbedingungen (d. h. bei klarem Himmel und Windstille) zur Verfügung hat? Wir beschlossen, zum Gipfel zu steigen, von wo aus die beiden wichtigsten Gebiete gleichermaßen in erreichbaren Distanzen liegen, um die photogrammetrischen Daten zu sammeln. Unser kurzer, aber steiler Gipfelaufstieg wurde mit hervorragenden Bedingungen für erfolgreiche Vermessungen, spektakulären Aussichten, magischen Eisfor- mationen und mit feierlichen Rocher-Pralinen belohnt. Am selben Tag gingen wir wieder hinunter, verbrachten ein paar Stunden mit dem Laden der Batterien im Camp, wanderten weiter bis zur nördlichsten Spitze der Insel und überflogen auch den gesamten nördlichen Teil von Zavodovski (was ich aufgrund der besonders dicht gedrängten Nester und der belebten 'Highways' auch gerne das 'Penguin Woodstock' nenne). Unsere Arbeit endete erst mit dem allerletzten Tageslicht. Was für eine Datenjagd! Müde, aber erleichtert klatschen wir uns mit überschwänglichen 'High-Fives' ab, bevor wir wieder in unserem Expeditionszelt verschwanden, um den Erfolg des Tages mit einem Schluck des preisgekrönten 'Darwin's Botanicals' Gin der Falkland Islands DistillateurInnen zu feiern.
Am 31. Januar verließen wir die Insel und segelten zurück über Südgeorgien nach Port Stanley auf den Falklandinseln. Wir sind uns sicher, dass wir die Boulder, die wir zur Befestigung unserer Zelte vom Kliff zum Camp geschleppt hatten und vielleicht sogar einige unserer Fußabdrücke, noch vorfinden werden, wenn wir im Dezember 2023 zum zweiten Mal für die Fortsetzung unserer Forschungsarbeiten vor Ort sein dürfen. Denn bis dahin wird wohl kaum ein Mensch diese Insel betreten.