12 Tage im Sultanat: Oman-Exkursion 2023
12 Tage verbrachten 24 Studierende der RWTH Aachen im Rahmen ihres geowissenschaftlichen Studiums im Sultanat Oman. Auf den Stopps der rund 2000 km langen Exkursionsroute stand nicht nur die atemberaubende Geologie des Omans im Mittelpunkt, sondern auch die Themen Stadtentwicklung, Naturgefahren, Umweltschutz und die (prä-)islamische Archäologie des Golfstaats.
Sprung in die Moderne
Das Sultanat Oman ist in vielerlei Hinsicht ein interessantes Exkursionsziel. Die rasante Bevölkerungsentwicklung und Modernisierung seit den 1970er-Jahren äußert sich in einer modernen Infrastruktur und im wachsenden urbanisierten Raum der Hauptstadt Muscat, den die Exkursionsteilnehmenden in den ersten zwei Tagen zu überblicken versuchten. Im Laufe der Jahrzehnte entstand eine lang gezogene Stadt mit einer relativ geringen Bevölkerungsdichte, allerdings mit einem hohen Pendleraufkommen zwischen den älteren Stadtteilen und den neu gebauten Besiedlungsgebieten am Rande der Hauptstadt.
Die Förderung großer Erdöl- und Gasmengen brachte Wohlstand für die omanische Bevölkerung und katapultierte das Land in die Moderne. Dabei ist das Auto als Fortbewegungsmittel aus dem Alltag der meisten Omani nicht wegzudenken. Dies wird vor allem bedingt durch moderne, mehrspurige Autobahnen, ein geringes Angebot im öffentlichen Nahverkehr und niedrige Treibstoffkosten (ca. 50 Cent pro Liter Benzin). Während sich die fossilen Energieträger dem Ende zuneigen, wird im Oman in neue Häfen und innovative Energiespeicherungs-Technologien investiert, was das Land auch geopolitisch interessant für andere asiatische und europäische Länder macht.
Blühender Handel und ausgeklügelte Bewässerungssysteme
Wie das traditionelle Leben der Omani vor dem Öl-Boom aussah, erfuhren die Exkursionsteilnehmenden am ersten Tag im Nationalmuseum, das in Old Muscat liegt, der historischen Altstadt Muscats. Fischfang und der Handel mit Waren wie Weihrauch und Gewürzen prägten das Land über Jahrhunderte. Auch der Bootsbau hat im Oman, mit seiner ausgedehnten Küste am Indischen Ozean, eine lange Tradition. In der Hafenstadt Sur konnten die Studierenden eine Werft für den Bau der traditionellen omanischen Segelschiffe aus Holz besichtigen, die hauptsächlich als Handels- und Transportschiffe benutzt wurden. Auch Fundstücke aus den küstennahen, archäologischen Ausgrabungsstätten aus prä-islamischer Zeit, die die Exkursionsteilnehmenden in den ersten paar Tagen besuchten, beweisen den florierenden Handel zwischen Asien und Europa. Zusammen mit weiteren Wissenschaftler:innen konnte Gösta Hoffmann, der die Exkursion leitete und mehrere Jahre im Oman lebte, auch den Untergang der prä-islamischen Städte aufgrund von Erdbeben bzw. Tsunamis dokumentieren.
Im starken Kontrast zum Leben an der Küste steht das traditionelle Leben in den Bergdörfern. Viele Bergoasen, die vom Tal meistens nicht sichtbar sind, sind von einem ausgeklügelten Bewässerungssystem durchzogen, dem sogenannten Falaj. Viele solcher Falaj-Kanalsysteme werden aus einer höhergelegenen Quelle gespeist. Die Wasserkanäle führen im weiteren Verlauf zu Terrassen, auf denen Früchte wie Mangos oder Granatäpfel und verschiedene Gemüsesorten angebaut werden. Auch das Mikroklima ist in einer solchen Bergoase trotz des wenigen Winds meist angenehmer als im Tal. Von Sturzfluten und feindlichen Angreifern bleiben die Bergoasen-Dörfer meist durch ihre topographische Lage verschont, was das traditionelle Leben in den Bergen deutlich einfacher macht.
Sabkhas und Mangroven – zwei besondere Ökosysteme
Einen weiteren Stopp machten die Studierenden im Mangroven-Ökosystem, wo sie hochspezialisierte Pflanzen und Lebewesen wie Krabben beobachten konnten, die sich vollkommen an den Gezeitenbereich mit hohen Wassertemperaturen angepasst haben. Dass die Mangroven ein wertvolles Ökosystem darstellen, hat auch die omanische Regierung erkannt: Mehrere erfolgreiche Mangrovenaufforstungen konnte den Mangrovenwald an vielen Orten wiederherstellen, was für die Bevölkerung durch den Schutz vor Tsunamiwellen auch von Vorteil ist. In einem Küsten-Sabkha, einem flachem, abflusslosen und zeitweise mit Wasser gefülltem Becken in der Nähe des Meers, konnte die Exkursionsgruppe mittels einer Handbohrung die Existenz von Mangroven anschaulich nachweisen. Einen halben Meter unter der Erdoberfläche trafen sie auf eine feinkörnige Schicht mit fauligem Geruch und unregelmäßigem Kontakt zur darüberliegenden Schicht. Den fauligen Geruch konnten sie als ein Indiz für organisches Material identifizieren, der unregelmäßige Schichtkontakt entstand durch die Wurzeln der Mangrovenpflanzen.
Der Semail-Ophiolith und die fossile “Moho”
Der Oman ist unter Geolog:innen und Geologie-Studierenden vor allem für den gut erhaltenen Ophiolith-Komplex bekannt. Dabei handelt es sich um Gesteine der ozeanischen Kruste und des Erdmantels, die durch besondere tektonische Prozesse („Obduktion“) an die Erdoberfläche gekommen sind. Der in der späten Kreide entstandene Semail-Ophiolith ist auf etwa 100.000 km2 aufgeschlossen und ist wegen seiner reichen Kupfer- und Chrom-Erzvorkommen eine wichtige Rohstoffquelle. Eine einzigartige geologische Besonderheit befindet sich im Wadi al Abyad, wo die (fossile) Mohorovicic-Diskontinuität, kurz „Moho“, aufgeschlossen ist. Sie stellt die Übergangszone zwischen dem Äußeren Mantel und der Erdkruste dar, die sich im Gelände als Kontakt zwischen ultramafischen Gesteinen uind Gabbro äußert. Auch die zur Ophiolithabfolge gehörenden Kissenbasalte hinterließen bei den Studierenden einen bleibenden Eindruck.
Reisen während des Ramadans
Zu den verschiedenen Stopps fuhren die Exkursionsteilnehmenden in sieben Geländewagen, geschlafen wurde in Zelten an Stränden, auf einer Farm und mitten in der Sandwüste. Begleitet wurden sie von zwei omanischen Köchen, die abends immer ein veganes Gericht und ein Gericht mit Fleisch, unter anderem gegrilltes Kamelfleisch, zubereiteten. Am vorletzten Abend gab es die omanische Spezialität „showa“. Dazu wurde Schafsfleisch für 24 Stunden in einem Erdofen gegart, schließlich gemeinsam ausgegraben und nach Sonnenuntergang verspeist.
Eine Besonderheit für die Exkursionsteilnehmenden war, dass die Exkursion während des Fastenmonats Ramadan stattfand. Im muslimischen Sultanat ist tagsüber das Essen, Trinken und Rauchen in der Öffentlichkeit aus Respekt gegenüber den fastenden Muslim:innen untersagt. Infolgedessen wurden auch touristische Orte weniger besucht und bis kurz vor dem Iftar, dem Fastenbrechen nach Sonnenuntergang, gab es weniger Verkehr auf den Straßen.
Plan für den Tsunami
Auf der Exkursion lernten die Studierende nicht nur viel Fachliches, sondern erwarben auch praktische Reise- und Überlebenstipps. Dazu gehört, dass man sein Auto immer in Richtung Binnenland parken sollte, denn die ersten Tsunamiwellen können innerhalb von 15 Minuten nach einem Erdbeben die Küste erreichen. Auch wie man Dünen mit dem Auto erklimmt, dass man in ein Sabkha lieber nicht mit dem Auto fahren sollte und dass man an Regentagen die Gebirgsstraßen und Wadis, also die (meist) wasserlosen Flusstäler, wegen der Schlammlawinen und Sturzfluten meiden sollte, hatten die Studierenden spätestens nach den 12 Exkursionstagen verinnerlicht.
Die jährlich stattfindende Oman-Exkursion ist ein Alleinstellungsmerkmal für die geowissenschaftlichen Studiengänge der RWTH Aachen gegenüber anderen, deutschen Universitäten. Auch nächstes Jahr wird eine Gruppe von RWTH-Studierenden wieder in den Oman reisen, um die atemberaubende Geologie Omans zu erleben. Die Anmeldung dazu erfolgt Anfang 2024 über RWTHonline.