Alle Wege führen zurück an die RWTH: Willkommen, Prof. Wagner!

04.02.2023
 

Lieber Herr Wagner,

  Prof. Wagner in den Alpen Urheberrecht: © Florian Wagner

herzlichen Glückwunsch! Zum 1.2.2023 übernehmen Sie das Lehr- und Forschungsgebiet „Geophysical Imaging and Monitoring“ (ehemals „Computational Geoscience and Reservoir Engineering“) als Nachfolger von Prof. Wellmann. Worum geht es in Ihrer neuen Professur genau und welche Herausforderungen erwarten Sie?

Danke, die Freude ist ganz meinerseits. Geophysikalische Bildgebung beschreibt die Anregung und Messung physikalischer Felder an der Erdoberfläche oder in Bohrungen, um aus diesen die Verteilung physikalischer Untergrundparameter mit möglichst hoher räumlicher Auflösung abzuschätzen. Das funktioniert im Grunde ganz analog zur medizinischen Bildgebung, nur eben mit einem viel spannenderen Untersuchungsobjekt. Durch zeitliche Wiederholungsmessungen lässt sich damit auch Monitoring, also eine Beobachtung von dynamischen Untergrundprozessen, betreiben. Historisch wurden diese Methoden vorwiegend zur Exploration von Rohstoffen entwickelt. Die heutigen Herausforderungen in der Forschung resultieren vor allem aus dem methodischen Anspruch prozessrelevante Untergrundparameter quantitativ abzubilden (z.B. die Porositätsverteilung abzuschätzen), der Integration neuartiger Messdaten (z.B. drohnengestützter geophysikalischer Messungen) sowie zahlreichen neuen, herausfordernden und umweltrelevanten Anwendungen. Dazu zählen beispielsweise die Endlagersuche und die Überwachung von schmelzendem alpinen Permafrost. Darüber hinaus warten natürlich auch viele Herausforderungen in der (post-pandemischen) Lehre.

  Prof. Wagner mit Ernennungsurkunde Urheberrecht: © Florian Wagner

Sie haben der RWTH ja bereits drei Mal den Rücken gekehrt als Sie nach dem Bachelor in „Georessourcenmanagement“ (2006-2009) in den Joint Master „Applied Geophysics“ (2009-2011) gewechselt sind um im Anschluss am GFZ Potsdam und der ETH Zürich (2012-2016) zu promovieren. Im Anschluss ging es als PostDoc an die Universität Bonn (2016-2019) inklusive eines Forschungsaufenthalts am Berkeley Lab in Kalifornien (2018) bevor Sie von Oktober 2019 – März 2022 eine Vertretungsprofessur in Aachen absolviert haben. Führen alle Wege zurück nach Aachen? Wie ist es für Sie nun als ordentlicher Professor an Ihre Alma Mater zurückzukehren?

Ja, alle Wege führen nach Rom und ganz offensichtlich irgendwann zurück nach Aachen. So kann man es rückblickend zusammenfassen, aber eine akademische Laufbahn, insbesondere in den Geowissenschaften, erfordert oft viel Mobilität und ist nur bedingt planbar. Gerade wenn man eine Hochschulprofessur in einem kleinen Fach wie der angewandten Geophysik anstrebt, sind die möglichen Hochschulstandorte und Zeitfenster für eine Bewerbung überschaubar. Umso schöner ist es, dass mich diese spannende Reise nun wieder dort hingeführt hat, wo alles einst begonnen hat. Viele der Personen, die meine Begeisterung für die Geowissenschaften vor ca. 15 Jahren geweckt und befeuert haben, heute meine Kolleg*innen nennen zu dürfen, erfüllt mich mit großer Freude, Stolz und auch ein wenig Demut. Ich möchte keine meiner bisherigen Stationen missen, aber es fühlt sich auch sehr gut an, nun anzukommen und in Forschung und Lehre, aber natürlich auch privat, langfristiger planen zu können. Die RWTH Aachen und ihre anwendungsorientierten und vielseitigen geowissenschaftlichen Kompetenzen sowie die starken Partner, z.B. im ABC/J Geoverbund und der IDEA League, bieten ein ideales Umfeld zum Aufbau meiner Forschungsgruppe.

  Messungen im Feld Urheberrecht: © Florian Wagner

Von Oktober 2019 bis Ende März 2022 haben Sie bereits den Lehrstuhl für Angewandte Geophysik in Aachen vertreten. Was werden Sie aus Ihrer Zeit als Vertretungsprofessor in die neue Professur einbringen? Was wird die Studierenden in der Lehre erwarten und welche Schwerpunkte werden Sie in Ihrer Forschung setzen?

Die Professurvertretung war in vielerlei Hinsicht eine Herausforderung für die ich dankbar und an der ich sehr gewachsen bin. Mitnehmen kann ich z.B. die Kenntnis über viele Arbeitsabläufe an der RWTH, der Fakultät sowie innerhalb der Fachgruppe, einige schon bestehende Lehrveranstaltungen, zwei in dieser Zeit eingeworbene Drittmittelprojekte und die dazugehörigen wissenschaftlichen Mitarbeiter*innen sowie Erfahrungen in Personalführung, akademischer Selbstverwaltung und digitalgestützter Lehre. Die Studierenden können erwarten, dass ich vor allem hybride Lehrkonzepte und interaktive Lehrinhalte auch nach der Pandemie einsetzen und weiter entwickeln werde. Außerdem möchte ich die geophysikalische Geländeausbildung ausbauen, was leider in den Sommersemestern meiner Professurvertretung (2020 und 2021) nur bedingt möglich war.

In der Forschung wird sich unsere Arbeitsgruppe der Entwicklung und breiten Anwendung von multi-physikalischen und prozessbasierten Abbildungsverfahren widmen. Damit ist die Integration verschiedener geophysikalischer und nicht-geophysikalischer Messverfahren, gesteinsphysikalischer Beziehungen sowie numerischer Prozesssimulationen gemeint, die die Beantwortung vieler umweltrelevanter Fragestellungen ermöglicht. Dieser integrative und prozessbasierte Ansatz impliziert eine enge Zusammenarbeit mit anderen Fachdisziplinen und das macht die Forschung auch so spannend und abwechslungsreich. Die Anwendungen, welche von diesen Verfahren profitieren können, sind vielzählig und umfassen z.B. die quantitative Überwachung von Fluidmigration im oberflächennahen Bereich sowie auf der Reservoirskala (z.B. geologische Speicher für Kohlenstoffdioxid oder Wasserstoff) und die Charakterisierung von klimainduzierten Untergrundveränderungen und damit verbundenen Georisiken.

  Messungen am Strand Urheberrecht: © Florian Wagner

Die Studierenden haben Ihnen über die Fachschaft GeoRes und die Fakultät für Georessourcen und Materialtechnik in 2021 zwei Mal den Lehrpreis für Ihr herausragendes Engagement in der Lehre verliehen. Welche besonderen Herausforderungen haben insbesondere die Corona-Jahre in der Lehre für Sie bereitgehalten?

Ja, das positive Feedback der Studierenden hat mich wirklich extrem gefreut und zusätzlich motiviert. Alle Kolleg*innen und natürlich auch die Studierenden waren in dieser Zeit enormen Herausforderungen ausgesetzt. Wir hatten alle dieselben Fragen: Wie motiviert man die Studierenden (und sich selber) nach X Semestern Online-Lehre? Wie nimmt man möglichst viele mit? Wie kompensiert man die ausbleibende soziale Interaktion? Wie findet man das richtige Tempo, wenn man 90 Minuten lang nur in überwiegend schwarze Zoom-Kacheln schaut? Ich hatte nicht auf all diese Fragen die richtigen Antworten, aber vielleicht den Vorteil, dass ich als neuer Professurvertreter sowieso in den meisten Veranstaltungen bei Null angefangen habe. So ist es mir relativ leicht gefallen, nach wenigen Monaten alle Veranstaltungen auf ein geeignetes Online-Format umzustellen und passende Materialien zu finden, da ich sowieso Woche für Woche neue Lehrinhalte suchen und produzieren musste. Ich freue mich nun auf die Interaktion mit den Studierenden im Hörsaal sowie im Gelände und werde versuchen mir von der „Corona-Dynamik“ möglichst viel beizubehalten.

  Schild zu Prof. Wagners Büro Urheberrecht: © Kathrin Heinzmann

Sie wurden bereits nach nur drei Jahren als PostDoc auf eine W3-Professurvertretung berufen. Inwiefern hat Sie diese Erfahrung in ihrer Karriere bestärkt? Würden Sie Nachwuchswissenschaftlern*innen raten, sich frühzeitig auf Vertretungsprofessuren zu bewerben?

Absolut. Die Professurvertretung gab mir die einmalige Gelegenheit, Einblick und Praxiserfahrung in Bezug auf die vielseitigen Aufgaben von Hochschullehrer*innen gewinnen zu können. Während der klassische Weg über eine Habilitation vor allem Lehr- und Forschungsleistungen der Kandidat*innen evaluiert, haben Professurvertretungen (und natürlich auch Tenure-Track Professuren) den besonderen Reiz, dass man komplett eigenverantwortlich agieren und sich auch in einer Lehrstuhlleitung versuchen und beweisen kann. Ich würde es jederzeit wieder tun und finde es auch super, wenn Hochschulen diese Stellen gezielt zur Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses einsetzen.

  Prof. Kukla und Bachelorabsolvent*innen Urheberrecht: © Florian Wagner

Wenn Sie auf Ihren wissenschaftlichen Werdegang und vor allem die Jahre an der RWTH Aachen zurückblicken, was ist Ihre schönste Erinnerung?

An allen Stationen, und natürlich insbesondere in Aachen, habe ich inspirierende und geerdete Kolleg*innen, Mentor*innen und Studierende kennengelernt. Jeden Tag mit so tollen Menschen zusammenarbeiten zu dürfen ist ein großes Privileg und ich habe viele schöne Erinnerungen an diese Zusammenarbeit. Wenn ich eine Erinnerung aussuchen muss, dann ist es wohl das Joint Masterprogramm in „Applied Geophysics“. Mit ca. 20 Gleichgesinnten aus aller Welt zwei Jahre lang durch Europa zu reisen um an drei renommierten technischen Universitäten aus ganz verschiedenen Perspektiven die wunderbare Welt der Geophysik kennenzulernen ist unbeschreiblich. Neben dem fachlichen Input lernt man zwangsläufig Englisch, mobil und anpassungsfähig zu sein, Selbstorganisation und Menschen aus aller Welt kennen. Ich habe in den zwei Jahren rückblickend den größten persönlichen Entwicklungssprung gemacht und freue mich riesig, dass ich an diesem einzigartigen Programm weiter mitwirken darf.

Vielen Dank für das Interview!

Immer wieder gerne.